R. B. Heimann u.a.: Ancient and Historical Ceramics

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Titel
Ancient and Historical Ceramics. Materials, Technology, Art and Culinary Traditions


Autor(en)
Heimann, Robert B. Heimann; Marino, Maggetti
Erschienen
Stuttgart 2014: Schweizerbart Science Publishers
Anzahl Seiten
55 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Jonathan Frey

Archäologische Keramikfunde bilden bekanntermassen nicht nur ein ausgezeichnetes Datierungsmittel, sondern auch eine wichtige Basis für kultur- und technologiegeschichtliche Aussagen. Nun präsentieren mit Robert B. Heimann und Marino Maggetti zwei ausgewiesene und in der Forschung hocherfahrene Keramikwissenschaftler ein Handbuch, das die Ergebnisse zur Herstellungstechnik und Gebrauch von Keramik auf eine neuartige Weise miteinander verbindet. Das Werk gliedert sich in zwei Teile: Im ersten, sieben Kapitel umfassenden Teil wird die Herstellung von Keramik von der geologischen Bildung der Tonminerale bis hin zum Abkühlen der Keramikgefässe im Brennofen beschrieben. Der zweite Teil geht auf ausgewählte Keramikgruppen ein, wobei sich der zeitliche Rahmen von der Urgeschichte bis ins 19. Jh. und das Arbeitsgebiet auf Europa, Asien und Amerika erstreckt. Auswahlkriterien für die Keramikgruppen sind ihre kulturgeschichtliche Bedeutung, ästhetische Anziehungskraft und ein Höchstmass an handwerklicher Qualität. Schönes und prachtvolles Tafelgeschirr steht demnach im Vordergrund, während die spezifischen physikalischen Eigenschaften von Kochkeramik kurz gehalten, aber sehr informativ sind (Kap. 2.3, S. 18–21).

Im ersten Teil sind nach einer Einführung zur Kultur- und Technikgeschichte der Keramik eine Systematik der Keramikarten sowie die wichtigsten Tonmineralien vorgestellt (Kap. 1–3). Es folgt eine Beschreibung der Herstellungsprozess mit Schwerpunkt auf den chemischen und physikalischen Vorgängen beim Trocknen und vor allem während des keramischen Brandes. Beispielsweise werden die physikalischen Prozesse während des Trockungsprozesses genau analysiert und angeführt, welche Faktoren sich positiv auf Härte und Flexibilität des keramischen Gefässes im lederharten Zustand auswirken. Ebenso gehen die Autoren auf die physikalischen Vorgänge zwischen Keramikkörper und Glasur ein. Als didaktische Vorbereitung für die Ausführungen im zweiten Teil bietet Kapitel 5 eine allerdings anspruchsvolle Leseanleitung zu den sehr komplexen Phasendiagrammen. Den Abschluss des ersten Teils bildet ein geraffter Überblick zu den Töpferöfen, wobei vor allem ur- und frühgeschichtliche Ofenkonstruktionen und solche für besondere Keramikprodukte wie Steinzeug oder Porzellan zur Sprache kommen. Aufschlussreich sind die grossen Temperaturunterschiede, die bei experimentellen Meilerbränden am einzelnen Gefäss festgestellt wurden. Für das wichtige Phänomen der grossen Temperaturunterschiede innerhalb der meisten Keramikbrennöfen wird auf einen experimentell errichteten Ziegelbrennofen zurückgegriffen. Zu diesem Punkt hätte man sich weitere archäometrische Grundlagendaten gewünscht.

Die Kapitel im zweiten Teil mit den ausgewählten Keramikgruppen sind grundsätzlich gleich gegliedert. Den Anfang bildet eine halbseitige Zusammenfassung, welche die technikgeschichtliche Entwicklung und die wichtigsten chemisch-mineralogischen Eigenschaften in lexikalischer Weise schildert. Es folgt die Beschreibung der technikgeschichtlichen Entwicklung, wobei ausführlich auf technologische Vorläufer eingegangen wird. Zentrum der Ausführungen bilden die chemische Zusammensetzung von Keramikkörper und Glasur, die Fertigungstechnik und die Vorgänge während des keramischen Brands, wozu auch die Bandbreite der Temperaturen während des Schrüh- und Glattbrands gehören. Ebenso werden Zusammenhänge zwischen chemischer Zusammensetzung, mineralogischer Struktur und Materialeigenschaften wie beispielsweise Bruch- und Flammfestigkeit erklärt. Mit Erstaunen erfährt man beispielsweise, dass englisches Knochenporzellan aufgrund seines geringeren Anteils an glasiger Masse bruchfester ist als das berühmte Meissener Porzellan. Für Einzelphänomene, deren Beschreibung den Rahmen gesprengt hätte, wird auf die relevante Fachliteratur verwiesen. Den Kapitelabschluss bildet jeweils ein kulturhistorischer Überblick zur Koch- und Essenskultur im entsprechenden zeitlichen und geographischen Kontext, gefolgt von ausgewählten Kochrezepten. Die eigens nachgekochten Gerichte werden auf dem jeweils passenden Tafelgeschirr präsentiert, wodurch die Verbindung von hochstehender Essens- und Tafelkultur veranschaulicht wird. Es ist eindrücklich, welchen technischen und finanziellen Aufwand die Töpfer betrieben haben, um etwa ästhetisch hochstehendes Tafelgeschirr herzustellen, das der Oberschicht zur Repräsentation diente. Lediglich im Kapitel zum Steinzeug deutscher Herkunft ist die Verbindung zwischen Geschirr und den vorgestellten Rezepten nicht ganz nachvollziehbar, dominieren doch in dieser Keramikgruppe Schankgefässe und nicht Serviergeschirr wie Teller.

Abgeschlossen wird das Werk mit einer umfangreichen Bibliografie, die man im Hinblick auf den äusserst breiten zeitlichen und geografischen Rahmen eventuell gemäss den Hauptkapiteln hätte gliedern können. Wertvoll sind auch der systematische Sach- und Ortsindex.

Besonders im ersten Teil stellt das Werk für jene Leser, deren chemisch-physikalisches Wissen einer Auffrischung bedarf und denen beispielsweise die verschiedenen Molekülstrukturen von Mineralien vor dem geistigen Auge nicht präsent sind, eine anstrengende, dafür aber sehr lohnende Lektüre dar. Ein vorzugsweise bebildertes Glossar mit ausgewählten chemischen, mineralogischen und keramischen Fachbegriffen hätte den Zugang zu den teilweise hochspezifischen Ausführungen erleichtert und die Rezeption unter Archäologen mit durchschnittlichem naturwissenschaftlichem Grundwissen vereinfacht. Dennoch bildet das Werk ein grundlegendes Handbuch zur Herstellungstechnik und Kulturgeschichte von qualitätvoller Keramik aus aller Welt.

Zitierweise:
Jonathan Frey: Rezension zu: Robert B. Heimann/Marino Maggetti, Ancient and Historical Ceramics Materials, Technology, Art and Culinary Traditions. Stuttgart 2014. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 98, 2015, S. 276-277.

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Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 98, 2015, S. 276-277.

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